Spiel ist ein zentrales Kulturelement der Menschheit
Kulturen entstanden als Spiel – so behauptete der niederländischer Kulturhistoriker Johan Huizinga (1872-1945) in seinem inzwischen weltweit beachteten Buch Homo Ludens: Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Schon Schiller formulierte, dass der Mensch nur dort ganz Mensch sei, wo er spiele. Aus vielen Schilderungen wissen wir inzwischen: alle Völker spielen, begreifen das Spiel als einen Sinn des Lebens, als Verbindung der Gemeinschaft und des Einzelnen, als Verbindung mit den höheren Mächten. Es ist ihnen Beschäftigung (z.B. als Geduldspiel), Frage an das Schicksal (z.B. als Würfelspiel), Bewährung (z.B. als Geschicklichkeitsspiel, als Wettkampf), als Kreativität (z.B. als künstlerisches Schaffen), Höhepunkt des Gemeinschaftslebens, Zeremonie und Kult (z.B. als heiliger Wettkampf bis hin zum Sport).
In ihrer Spielkultur kann die Eigenart des sozialen und kulturellen Lebens einer Lebensgemeinschaft erkannt werden. In der Vielfalt der Spiele spiegelt sich die Vielfalt der Kulturen, werden Kulturen verstehbar.
Spiele sind eine internationale Sprache ohne Worte –
ein ideales Medium der Völkerverständigung
In einer Zeit zunehmender Flüchtlingswanderungen und internationaler Mobilität entstehen Abwehrhaltungen und Feindbilder. Allzu oft wird nicht die schöpferische Vielfalt anderer Kulturen erkannt, was im Medien- und Reisezeitalter endlich möglich wäre, sondern das Andersartige als bedrohlich empfunden. Die Abstraktheit der Fremd- und Feindbilder muss auch durch konkrete, sinnliche Erfahrung durchbrochen werden. Im Spiel kann das gelingen.
Spielen ist ein ideales Medium des direkten Kennenlernens anderer Kulturen. Das Interesse an den Spielen anderer Völker ist spontan, nicht nur bei Kindern. Spielbedürfnisse sind tief verwurzelt. Die Darstellung fremder Spiele bzw. Spielformen, das Nachspielen, das gemeinsame Spielen mit Ausländern ist leicht möglich. Spiel weckt Neugier, vermittelt neue Erfahrungen und erschließt Verständnis. Erste erfolgreiche Versuche, das Spielen kulturverbindend zu gestalten, gibt es in Schulen, in der Museumspädagogik, in Freizeit-Gruppen mit Ausländern, in der Sozialarbeit, auf Spielfesten. Für diese und weitere Praxisfelder sollen unsere Projekte und Programme konkrete Aktionen und Maßnahmen bereitstellen.
Eindrucksvoll hat die Entwicklungspsychologie den Zusammenhang von Spiel- und Entwicklungsphasen in Kindheit, Jugend und auch im Erwachsenenalter belegt. Es ist inzwischen bekannt, welche Spielformen persönlichkeitsfördernd wirken können. Viele der verlorenen, traditionellen Spiele zählen dazu. Die modernen, oft technisierten und ausgeprägt konkurrenz- und ergebnisorientierten Spiele haben diesen Rang nur selten. Es wird wichtig sein Neugier, Kreativität, Sensibilität, Soziabilität in allen Lebensaltern zeitgemäß zu fördern und hierbei von alten und internationalen Spielformen zu lernen.
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